SWL-Zeit 1943-1944

SWL 1943/44: Sender „Primadonna“ hören

Meine erste SWL- Tätigkeit war, wenn ich es jetzt rückwirkend betrachte, das Abhören des Senders „Primadonna“. Den Auftrag hierzu bekam ich von meinen Eltern nahezu jeden Tag. „Primadonna“ war ein Sender auf der Mittelwelle, der laufend aktuelle Luftnachrichten sendete. Die Bevölkerung wurde wegen der ständig zunehmenden Angriffe ständig über die aktuelle Luftlage informiert. Der Sender konnte mit den normalen Empfangsgeräten gehört werden. So war es möglich anhand der vom Sender genannten verschlüsselten Planquadratzahlen und Vergleich mit der – eigentlichen geheimen – Planquadratkarte die Zugrichtung der einfliegenden Bomber festzustellen, ohne allerdings das genaue Ziel erkennen zu können. Ich kann mich noch genau erinnern, wenn die Bomber im Raum Hannover waren, packten meine Eltern ihre Köfferchen und ab ging’s in den Keller. Nur wenig später heulten die Sirenen den Fliegeralarm.

Was und wer war nun „Primadonna“? Mach heutigen Informationen von Aufzeichnungen und Angaben von noch lebenden Zeitzeugen war der Sender „Primadonna“ ein Mittelwellensender zur Unterstützung der Jäger-Luftabwehr. Er gehörte zum schon Anfang der dreißiger Jahre aufgebauten „Reichsflugmeldedienst“

Der Sender gehörte zur 3. Jagddivision, die in Holland (Deelen/Schaarsbergen) stationiert war und zum Teil fahrbare Sender mit 1,5 kW oder 20 kW an verschiedenen Standorten betrieb. Der in Kassel damals gut hörbare Sender „Primadonna“ war ab Sommer 1943 ein 1,5 kW-Sender in der „Funkzentrale 276“ auf dem Mönkeberg bei Veldrom (Landkreis Detmold) im Langwellenbereich zwischen 150 und 155 kHz aktiv. Von Dezember 1944 bis März 1945 wurde ein fahrbarer „Mittelwellensender B“ mit dem Standort Erwitte (Kreis Lippstadt) eingesetzt. In den Sprechpausen sendeten diese Sender schnelle oder langsame Tickerzeichen oder auch Gongschläge in kürzeren Abständen. So waren sie für mich als SWL auch immer leicht wieder zu finden …
Die Zusammenstellung der Meldungen erfolgte in den Gefechtsständen „Diogenes“ und für die Ausstrahlung der Nachrichten waren die Funksendezentralen Beckum, Detmold und ein fahrbarer Mittelwellensendern vom „Typ Berta“ zuständig. Die sog. „Reportagemeldungen“ wurden von den Jägern auf Mittelwelle empfangen. Die Ansage lautete: „Achtung Primadonna, Primadonna meldet…“. Ausgewertet werden konnten diese Angaben aber nur, wenn man eine Bezugskarte mit Quadrateinteilung hatte. Meine Eltern hatten sich – wie viele Familien damals auch – „etwas außerhalb der Legalität“ eine Kopie beschafft, die immer sorgfältig unter dem Radio wieder versteckt werden musste. Kassel lag in den Planquadraten LT/LU.

Der Sender gehörte zur 3. Jagddivision, die in Holland (Deelen / Schaarsbergen – Gefechtsstand „Diogenes“) stationiert war und zum Teil fahrbare Sender mit 1,5 kW oder 20 kW an verschiedenen Standorten betrieb .Die 3. Jagddivision war mit der „Luftverteidigung West“ beauftragt und hatte in Stromberg eine Jägerleitkompanie, die mit den damals schon hoch entwickelten Radargeräten „Würzburg“ und „Freya“ ( 120- 250 MHz Arbeitsfrequenzen) die anfliegenden Bomber rechtzeitig orten konnten. Der in Kassel damals gut hörbare Sender „Primadonna“ war ab Sommer 1943 ein 1,5 kW-Sender in der „Funkzentrale 276“ auf dem Mönkeberg bei Veldrom (Landkreis Detmold) im Langwellenbereich zwischen 207 und 250 kHz aktiv. Ab August wurden die Luftlagemeldungen für die Bevölkerung auch im Klartext auf 313 kHz abgestrahlt. Später wurden die Frequenzen immer gewechselt, um Anpeilungen zu verhindern. Von Dezember 1944 bis März 1945 wurde ein fahrbarer „Mittelwellensender Berta “ ( 20 kW) mit dem Standort Erwitte (Kreis Lippstadt) eingesetzt.

Die Sprecher der Sendungen ( meistens waren es Luftnachrichtenhelferinnen, sog. „Blitzmädchen“) saßen in einem Gasthaus („Schalück“) an der heutigen B61 zwischen Rheda-Wiedenbrück (Lintel) und Gütersloh. Über Modulationsleitungen der Reichspost waren sie mit den einzelnen Senderstandorten verbunden. Um Peilungen und damit verbundene Bombardierungen zu vermeiden, wurden die aktivierten Standorte stets gewechselt..

Ab 30.11.1944 übernahm der fahrbare Mittelwellensender „Berta“ teilweise auf 932 kHz das Reichsrundfunkprogramm und meldete sich mit „Hier ist der Rundfunksender Berta“. Es folgte in Morsezeichen das Kürzel „BER“. In den Sprechpausen sendeten diese Sender schnelle oder langsame Tickerzeichen oder auch Gongschläge in kürzeren Abständen. Ab Januar 1945 war der Sendername in „Primadonna II“ geändert worden. So waren sie für mich als SWL auch immer leicht wieder zu finden …

„Primadonna“, als gerade in die Grundschule gekommener SWL auf der Skala suchen und hören, brachte zwar wertvolle Informationen aber nie eine QSL-Karte …
Die englischen Bomber hatten angeblich den Auftrag, den Standort des Senders „Primadonna“ aufzuspüren. Abgehörte Gespräche der Leitstelle der Bomber hatten zum Inhalt:“…wir finden den Sender nicht“. Grund hierfür war, dass die Sender nicht in den als Ziel vorgesehenen Kommandozentralen aktiviert waren, sondern von wechselnden Standorten aus sendeten.

„Primadonna“ und verschiedene andere Sender in Deutschland (z.B. „Horizont“ (1. Jagddivision Döberitz) und „Kreuzritter“ (Jagddivision Stade), Jagdflieger Ostpreußen, Leander in Schleißheim/Obb und Rosenkavalier in Wien) waren die einzigen Informationsquellen über die Luftlage, die auch von der Bevölkerung genutzt werden konnten. Die offiziellen Rundfunksender, darunter auch der Sender Kassel, wurden bei Annäherung feindlicher Flugzeuge abgeschaltet, um Peilungen durch die Bomberpiloten zu verhindern. Die Frequenzen der für die Jägerführung dienenden Rundfunkstationen (z.B. Mühlacker) wurden auch planmäßig durch britische Störsender mit Glockenklang, Teilen aus Hitlerreden oder Dauerton gestört. Weitere Störsender der Engländer legten häufig den gesamten Funkverkehr der Nachtjäger lahm.

Die letzte Sendung von „Primadonna“ war am Nachmittag des Karfreitags 1945, da standen die Amerikaner kurz vor Wiedenbrück….

Quellen
(1) Funkgeschichte 24 (2001) Nr. 139
(2) Hans Brunswig: „Feuersturm über Hamburg“, 1992 Motorbuchverlag, 9. Auflage
(3) Informationen von DL6AD/DK5AAR.
(4) R.Kügeler, GFGF, „Zur Geschichte der Luftnachrichtentruppe in Westfalen“, CD-ROM über rkuegeler@aol.com zu beziehen.

06.12.08 – DJ3AS