Radioclub Cassel

Der „Radioclub Cassel“ und seine aktiven Mitglieder der ersten Jahre

Fritz Baus (*5.12.1902, †2.3.1986);
die linke Aufnahme zeigt ihn etwa 1930,
die rechte 1975 (Foto: Werner Baus, Helsa)

In der Zeitschrift „RADIO-AMATEUR“, Ausgabe 1924, findet sich auf Seite 64 erstmalig ein Hinweis auf die Gründung eines Radioclubs in „Cassel“, das ab 1926 dann mit „K“ geschrieben wurde. Es heißt dort: „In Cassel wurde am 5. Februar 1924 ein Radioklub gegründet, dem bei der Gründung sofort 30 Mitglieder beitraten. Der geschäftsführende Ausschuss besteht aus folgenden Herrn: Herrn Erwin W. Ebert, Cassel, Wolfsschlucht Nr.33; Herrn Dipl.-Ing. Hans Sandel, Cassel, Hohenzollernstr. 116; Herrn Fritz Baus, Cassel, Wolfsangerstraße 8 ¼. Zuschriften und Anmeldungen werden an diese Herren erbeten.“ Leider sind keine Namenslisten aus dem Jahr 1924 erhalten geblieben.

 

 

 

 

Fritz Baus besaß 62 Jahre lang die Lizenz zum Betrieb
einer Funkempfangsanlage (Repro: Werner Baus, Helsa)

 

Der schon damals genannte Fritz Baus bekam nach dem Krieg das Rufzeichen DL6VD. Er erhielt bereits am 1. August 1924 von der Deutschen Reichspost die Audionversuchserlaubnis, eine „Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Funkempfangsanlage zum Privatgebrauch“. Ein Amateurfunkrufzeichen aus der damaligen Zeit ist nicht bekannt. Fritz Baus war hauptsächlich am Rundfunkbasteln interessiert, er starb am 2. März 1986 im 84. Lebensjahr.

Ein weiteres Mitglied der damaligen Zeit ist EK4ABL (OM Kilian, Vorname nicht mehr zu ermitteln), der als Standort Kassel- Niederzwehren auf einer erhaltenen QSL-Karte angab. Dr. Walter Lampe, damals EK4KX, war zunächst in Kassel zu Haus, ging aber dann später nach Eschwege und war sehr aktiv. In der Namensliste zu dem Gruppenbild der 2. Kurzwellentagung im März 1927 sind noch aufgeführt: Remlo, Volkmar, Dölle und Noether. Noether war der Organisator der Veranstaltung, welche Funktionen und Aufgaben die anderen drei genannten hatten, ist nicht mehr zu ermitteln. Nach der Rufzeichenliste von 1939 hatten bis Kriegsbeginn am 1.9.39 die offizielle, amtliche Lizenz die Mitglieder Heinz Franke, D4sft, Pettenkoferstrasse (OVV von 1929 bis 1945, später DL3QI), Wilhelm Hevecker, D3cit, Neckarweg 16 E.

D3CIT = DE2370 T, Obering. Wilhelm Heveker, Kassel-Wilhelmshöhe, Neckarweg 16E (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection; QSLs im Archiv, nachgewiesen 1937-1943) Weitere QSL-Karte von D3CIT (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection)
Kilian [auch 4kbu], an EF8jms, Paris, vom 26.05.1928 (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection, Sammlung F2VX) NN, Hörbericht an EAZE, Emmerich Zemrosser, Baden bei Wien, vom 24.09.1928 (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection)

 

Zwei Mitglieder ragen aus den Aktivitäten der Kasseler Gruppe heraus. Ernst Reiffen und Franz Noether. Ernst Reiffen verschlug es beruflich später nach Berlin und Danzig. Er arbeitete zeitweise beim D.A.S.D. in Berlin als Kassierer und war zuständig für die Auslandsangelegenheiten des Clubs. Er war sehr aktiv und veröffentlichte zahlreiche technische Beiträge im „FunkBastler“ oder der „CQ“. Franz Noether wohnte in Kassel in der Kaiserstrasse 31 (Haus an der Ecke der heutigen Goethestrasse/Querallee). Nach Erinnerungen des OM Franke (ehemaliger OVV), wurden hier die damals heimlich vorzunehmenden Sendeversuche durchgeführt. Die offiziell genehmigte Station KQ5 stand nach der Rufzeichenliste von 1925 in der Wilhelmshöher Allee 31 und war offenbar auf Franz Noether zugelassen. Der Ortsverband traf sich im Lokal „Palmenbad“ in Kassel-Wilhelmshöhe.

Vermerkt werden soll noch, dass nach den Erinnerungen von Werner Schulze, DL1AP, damals im Reichswehrgebäude die Amateurstation D4DKB von Nachrichtensoldaten der Reichswehr betrieben wurde. Über diese militärische Aktivität gibt es keinerlei Unterlagen oder Berichte mehr. D4DKB muss wohl in der Kaserne der ehemaligen 83er in der jetzt abgerissenen Polizeikaserne Friedrich-Ebert-Straße gestanden haben. Der verantwortliche „von Uckermann“ war nach einem Adressbuch der Stadt Offizier im Stab der 15. Infantriedivision, und die war wohl in der o.a. Kaserne stationiert.

 

Amateurfunkstation von der Reichswehr in Kassel, D4DKB. D4KDB = DE1226 Von Uckermann, Kassel; Vorname unbekannt. QSL vom 4.9.1930. Keine weiteren Details (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection)
 
Bei Durchsicht der alten Ausgaben der Zeitschrift „FUNKBASTLER“ und der „CQ“ aus den Jahren 1925 und später finden sich einige erwähnenswerte Berichte des damals in Kassel sehr aktiven Funkamateurs Franz Noether. Sein langjähriger Mitstreiter im aktiven Kasseler Amateurfunk, Dipl.-Ing. Ernst Reiffen, schreibt in Heft 39/1931 den Nachruf für Franz Noether, der am 12. September 1931 mit einem Wasserflugzeug bei Natal (Brasilien) tödlich verunglückte: „Von Beruf Kaufmann beschäftigte sich Franz Noether in seiner freien Zeit eingehend mit der Funktechnik. Als 1924/25 die ersten Kurzwellenversuche von Amateuren unternommen wurden, war er einer der ersten, der sich diesem Gebiet begeistert widmete. Er gehörte als DE 0038 zu denen, die den Grundstock zum heutigen Amateursendewesen in Deutschland legten. Am 19. März 1927 organisierte er in aufopferungsvoller Weise in Kassel die 2. deutsche Kurzwellentagung, auf der der DASD … gebildet wurde. Von 1925 bis 1929 arbeitete er unter dem Rufzeichen KQ5, später unter D4ABN und erwarb früh die WAC-Mitgliedschaft (WAC = worked all continents). Gleichzeitig führte er bis 1929 die Geschäfte der GVL (Generalverkehrsleitung) Hessen-Nassau. Als 1929 das Condor-Syndikat in Brasilien einen Mann suchte, der auf den Fluglinien den Funkverkehr mit Kurzwellen einrichten und leiten sollte, wurde Noether auf diese Stelle nach Brasilien berufen. Nach 1½-jähriger, fruchtbarer Tätigkeit ereilte ihn bei Natal der Fliegertod. Ich hatte die Freude, in Kassel lange Jahre mit unserem lieben Noether zusammen zu sein und lernte in ihm bei Geselligkeiten und in zahlreichen Nächte, die wir am Sender zubrachten, einen Menschen von liebem, frohem Wesen und feinem Empfinden kennen. Voller Trauer gedenke ich mit dem DASD seines Grabes in Natal, das wir nie vergessen wollen.“

 

 Teilnehmer an der DASD-Kurzwellentagung Kassel, 1927 (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/Nachlass DL1CU)
Teilnehmer an der DASD-Kurzwellentagung Kassel, 1927
(Bild: Dokumentationsarchiv Funk/Nachlass DL1CU)

Noether schrieb auch Berichte für den „FUNKBASTLER“. In Heft 38/1928 berichtet er ausführlich über den „Betrieb auf dem 20-m-Band“: „Die Eichwellensendung aus Berlin klappte auf 90, 70, 40, 30 m usw. vorzüglich. Leider waren aber die Sendungen auf 20 m absolut nicht zu hören. Zahllose Nachtstunden wurden geopfert … Europabetrieb auf dem 20-m-Band ist bekanntlich fast vollkommen ausgeschlossen. Es gelang uns nur ein einziges Mal eine nordfinnische Station zu arbeiten. EK4ABN (später dann D4ABN) hat zurzeit 35 Watt, und es gelingt mit großer Sicherheit, besonders in den Morgenstunden (4.00 bis 6.30 Uhr) mit NU-Stationen (Landeskenner damals für USA) in Verkehr zu treten. Mit NU6 und NU7 waren alle Anstrengungen vergeblich, but hpe soon … Als bestes DX wurde Santiago/Chile gearbeitet. Diese Station hat 280 W (!), rohen Wechselstromton und war hörbar ab 23.45 Uhr … Auf 20 m verbreiten sich die Großstationen in erschreckendem Maße. Es gibt sogar Commercials mit rohem Wechselstromton! Neben diesen Störungen sind die QRMs durch Autos, Motorräder und Änderungen im Lichtnetz üble Beigaben auf dem 20-m-Band. Die beste Arbeitszeit ist also der frühe Morgen, wenn man in der Stadt wohnt, wobei man allerdings auf Asien- und Südamerikaverkehr verzichten muss … Auf dem 30-m-Band wurde in der letzten Zeit von Kassel aus mit Mombasa … sowie mit Rawalpindi und ferner mit dem Staat Victoria in Australien gearbeitet. Das 30-m-Band ist immer noch am beliebtesten, man kann innerhalb von 24 Stunden Stationen aller Herren Länder aus allen Weltteilen hören, wohingegen es auf dem 20-m-Band sehr oft ruhig ist und keine Stationen von Amateuren aufgenommen werden können … Wer hat es schon auf dem 10-m-Band versucht? EK4ABN hatte dei Freude, in den letzten Wochen EKs und DEs aus Berlin, Göttingen, Eisenach und Parchim i. Meckl. bei sich begrüßen zu können. OMs, die durch Kassel kommen, werden gebeten, dies rechtzeitig mitzuteilen.“

Nach der damaligen Rufzeichenliste war der Standort von KQ5 in der Wilhelmshöher Allee 31. Dort befand sich von 1911 bis 1945 das Realgymnasium I, heute ist die Adresse der Standort der Jacob-Grimm-Schule.

Das einstige Realgymnasium I Wilhelmshöher Allee (heute Jacob-Grimm-Schule) (Foto: HNA; Stadtarchiv/nh)
Das einstige Realgymnasium I Wilhelmshöher Allee
(heute Jacob-Grimm-Schule) (Foto: HNA; Stadtarchiv/nh)

Es ist also anzunehmen, dass Noether und somit der „Radioclub Cassel“, die Station in der Schule betrieben haben. Im Heft 44/1928 berichtet Noether für die GVL Frankfurt – Kurzwellengruppe Kassel: „Seit dem 24. August war der Verkehr auf dem 20-m-Band mit Nord- und Südamerika fast gänzlich lahmgelegt. Nur in den frühen Abendstunden konnte man hin und wieder sehr leise Nordamerikaner hören. Selbst die Rundfunkstation 2 XAF (Großsender Schenectady auf 32.5 m) kam lautschwach herein. Dagegen gelang es mehrfach mit afrikanischen Stationen in Verkehr zu treten. Am 9. September mit dem holländischen Dampfer xen0CP, der sich in der Nähe der Küste von Französisch-Westafrika befand,… ferner mit FM8KG bei Fort-Flatters in der Sahara. Für EK4ABN liegt ferner ein Bericht vor, dass sein Rufzeichen von dem OP auf dem amerikanischen Dampfer ‚S. S. Dromore‘ … etwa 5000 Seemeilen südöstlich von New York gehört worden ist. Während alle Bemühungen, mit NU in Verkehr zu treten umsonst waren, konnte man beobachten, dass afrikanische Stationen … regelmäßig mit NU in QSO standen. Australische Stationen sowie Südafrikaner waren kaum hörbar …“

Franz Noether, Hörbericht an F4RM [F8JRK], Paris, vom 245.12.1925 (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection, Sammlung F2VX) Franz Noether, Hörberichte an F8jms, Paris, vom 03. und 24.12.1925 (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection, Sammlung F2VX)
Franz Noether [k4abn, k4avb, 4kl, EK4kl, D4kl, D4elk], an eawg, Hans Wieder, Salzburg, vom 30.11.1929 (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection)  

Ausführlich berichtet Noether im Heft 52/1928 unter dem Titel „Kurze Wellen im Dienst eines Fernfluges“ über einen französischen Flug Richtung Madagaskar. Hier auszugsweise sein Bericht: „Die Nutzbarkeit der kurzen Wellen für Flugzeuge zu untersuchen, haben sich in der letzten Zeit die Franzosen als Aufgabe gestellt. Nach dem der Transatlantikflug der ‚Fregate‘ misslungen war, wurde ein Flug Paris-Madagaskar-Paris vorbereitet … (Anm. DJ3AS: Die Maschine ‚FREGATE‘ musste wegen Motorschadens in der Nähe eines Stützpunktschiffes, die damals zur Versorgung der transatlantischen Postflieger im Atlantik stationiert waren, bereits bei den Azoren notwassern und ging unter). Während nun anlässlich der Fahrt des ‚Graf Zeppelin‘ sämtliche Angaben über den mitgeführten Kurzwellensender streng geheim gehalten waren, wurden in Frankreich sämtliche Angaben über den Funkverkehr während dieses DX-Fluges veröffentlicht. Die R.E.F. forderte … durch die Station 8REF (8JN) seine Mitglieder auf, den Kurzwellensender dieses Flugzeuges (gebaut und geliefert von OM Minguet – Neuilly, 8KG) vom Tage des Starts an gründlich zu beobachten … Die Sendungen des Flugzeuges konnten während der Überquerung der Sahara mit größter Sicherheit aufgenommen werden. Es war möglich … den Verlauf des Fluges von Stunde zu Stunde zu verfolgen … Der Funker des Flugzeuges gibt verhältnismäßig schlecht, da er noch Anfänger ist …“ Der Flug dauerte vom 1. bis 7. November und endete vorläufig mit einer Notlandung im damaligen Belgisch-Kongo, wo von Elisabethville aus nach Reparatur der Flug nach Madagaskar fortgesetzt werden sollte. Besondere QSL-Karten für Hörmeldungen wurden zugesagt.

Auf seiner beruflich bedingten Reise nach Brasilien im Juli 1929 machte Noether Station in New York und besuchte einige amerikanische OMs, die er von seinen zahlreichen QSO her kannte. Dabei stellte er auch die umfangreichen Störungen durch Hoch- und Tiefbahnen, Eismaschinen etc. fest, unter denen die in New York lebenden Funkamateure zu leiden hatten. Die per Transatlantikkabel vereinbarten Verbindungen nach Deutschland kamen wegen dieser Störungen und der schlechten Bedingungen nicht zu Stande. Noether konnte auch das Headquarter der ARRL in Hartford/Connecticut besuchen, dort gab man der Hoffnung Ausdruck, dass sich die Lizenzverhältnisse in Deutschland bald bessern mögen.

Damit möchte ich das Porträt eines der ersten Kasseler Funkamateure beenden. Die noch vorhandene Unterlagen geben derzeit nichts Weiteres her, Zeitzeugen aus dieser Zeit sind nicht mehr vorhanden. Mit dem beruflich bedingten Weggang von Noether nach Brasilien und auch dem beruflichen Werdegang von Ernst Reiffen, der Kassel verließ und nach Berlin und Danzig ging, scheint die Aktivität bei KQ5 stark nachgelassen zu haben. Jedenfalls sind in den weiteren Ausgaben der CQ oder des „Funkbastler“ keine neuen Informationen über KQ5 zu finden gewesen. Das weitere Schicksal der Station in der Wilhelmshöher Allee 31 liegt im Dunklen.

Walter Lampe [später: Dr. Walter Lampe, Eschwege, D4BOT/D4ORT], Hörbericht an EF8jms, Paris, vom 30.07.1928 (Bild: Dokumentationsarchiv Funk/QSL Collection, Sammlung F2VX)